Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten: Hirnpräparate in Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und die Identifizierung der Opfer
Am 1. Juli 2017 startete das Verbundprojekt „Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten: Hirnpräparate in Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und die Identifizierung der Opfer“. Angesiedelt ist das Forschungsvorhaben an der Medizinischen Universität Wien (Teilprojektleiter: Prof. Dr. Herwig Czech), der Oxford Brookes University bzw. an der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften (Teilprojektleiter: Prof. Dr. Paul Weindling) und am Institut der Geschichte und Ethik der Medizin (Teilprojektleiter: Philipp Rauh).
Das Projekt analysiert die Herkunft von Hirnpräparaten, die in der Zeit des Nationalsozialismus oder der Nachkriegszeit in Institute der Kaiser-Wilhelm- bzw. der Max-Planck-Gesellschaft gelangten. Die Frauen und Männer, von denen die Präparate stammen, sollen auf ihren Status als mögliche Opfer des Nationalsozialismus hin untersucht werden. Dabei geht es vor allem auch um die Frage, ob die Präparate von Betroffenen der NS-„Euthanasie“ stammen. Zu den betreffenden Personen werden biografische Daten erhoben und in ausgewählten Fällen ausführlichere Biografien erstellt.
Partner
- Universität Wien (Teilprojektleiter: Prof. Dr. Herwig Czech)
- Oxford Brookes University
- Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften (Teilprojektleiter: Prof. Dr. Paul Weindling)
Teilprojekt
Handlungsleitend für das Teilprojekt am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München ist folgende Frage: Welche Personen, deren Gehirne in die Sammlung der damaligen Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (heute: Max-Planck-Institut für Psychiatrie) eingegangen sind, müssen als Opfer des NS-„Euthanasie“ angesehen werden? Darüber hinaus soll nachvollzogen werden, welche Institutionen im „Dritten Reich“ zu welchem Zweck Präparate an die Deutsche Forschungsanstalt gesandt haben. Gab es in diesem Kontext bestimmte Forschungsinteressen? Wurden etwa gezielt Gehirne von Personen mit bestimmten Erkrankungen nachgefragt? Schließlich geht es auch im die Frage, inwieweit Präparate aus der NS-Zeit am Max-Planck-Institut für Psychiatrie für Lehre und Forschung genutzt wurden. In welche Forschungsprojekte nicht nur während, sondern auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Präparate einbezogen worden und welche Publikationen beruhen auf der neuropathologischen Forschung an NS-Opfern?
Insgesamt wurden in den Jahren 1939 bis 1945 rund 1.500 Hirnpräparate von mehr als 70 verschiedenen Institutionen aus an die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München gesandt. Die meisten Gehirne erhielt sie aus psychiatrischen Einrichtungen in Bayern. In der Deutschen Forschungsanstalt wurden die Präparate dann in dem von Willibald Scholz geleiteten Hirnpathologischen Institut befundet und für Forschungen herangezogen.
Zentral für die Überprüfung des Opferstatus ist die Hinzuziehung verschiedener zeitgenössischer Quellen, insbesondere Patientenakten aus der NS-Zeit. Um die Identitäten möglicher Opfer der NS-„Euthanasie“ klären und überdies auch das Netzwerk neuropathologischer Forschungen rekonstruieren zu können, wurde eine Projektdatenbank konzipiert. Die Datenbank dokumentiert sämtliche der zwischen 1939 bis 1945 bei der Deutschen Forschungsanstalt eingegangenen Hirnpräparate. Sie enthält biografische Basisdaten zu den Betroffenen, ihren Angehörigen, zur psychiatrischen Behandlung und zu den möglichen Selektionskriterien, die zur Auswahl geführt haben. Ebenso wird die Todesart dokumentiert und Daten zur Gehirnentnahme, zum weiteren Weg der Präparate und zu den an ihnen vorgenommenen Forschungen aufgenommen.
Am Projektende wird es ein Gedenkbuch über alle Frauen und Männer geben, die an den Kaiser-Wilhelm-Instituten Opfer unethischer Forschungen wurden. Zudem ist auch eine Ergebnissmonografie geplant.
Philipp Rauh, M.A.
Tel.: +49 89 4140 4041
Mail: philipp.rauh@tum.de
Ismaninger Straße 22, 81675 München
Projektleitung:
Philipp Rauh, M.A.
Zeitraum:
01.07.2017–30.06.2026
Projekttyp:
Verbundprojekt
Fördergeber:
Max-Planck-Gesellschaft